Abgeschossenes Flugzeug: Die vorbildliche Transparenz des Iran
- Groll Matthias
- 17. Jan. 2020
- 3 Min. Lesezeit
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Im Fall des im Iran abgeschossenen Flugzeugs verhält sich der Iran vorbildlich, indem er nicht versucht, etwas zu vertuschen. Es gibt auch einige neue Erkenntnisse, von denen ich in deutschen Medien nicht gehört habe. Eine Zusammenfassung der aktuell bekannten Fakten.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Flugzeug versehentlich abgeschossen wurde. Aber es ist das erste Mal, dass sich der schuldige Staat sofort und umfassend zu seinem Fehler bekennt, sich entschuldigt und ohne wenn und aber Entschädigung verspricht. Andere Staaten haben in der Vergangenheit ganz anders reagiert, am dreistesten waren ausgerechnet die USA, die sich gerne als Moralprediger aufspielen.
Mir fallen einige vergleichbare Beispiele aus der Vergangenheit ein. Die Sowjetunion hat 1983 versehentlich eine koreanische Boeing abgeschossen, es gab 269 Tote, und sich erst mit einiger Verspätung zu ihrer Schuld bekannt, als es ohnehin schon offensichtlich war. Erst 1992 übergab Präsident Jelzin die Flugschreiber an Südkorea.
1988 haben die USA versehentlich einen iranischen Airbus über dem Persischen Golf abgeschossen, es gab 290 Tote. Präsident Reagan nahm die US-Soldaten in Schutz, der Kommandant des Schiffes, das den Airbus abgeschossen hatte, bekam später für seinen Dienst in dieser Zeit einen Orden, die USA haben sich nie auch nur entschuldigt.
2001 hat die Ukraine bei einem Manöver ein russisches Passagierflugzeug über dem Schwarzen Meer abgeschossen, es gab 78 Tote. Die Ukraine hat erst neun Tage später in einer Erklärung von einem „Zusammentreffen unglücklicher Umstände“ gesprochen. Die Ukraine hat die Schuld jedoch nie offiziell eingestanden, obwohl sie aufgrund von internationalen Verträgen Entschädigungen an die Hinterbliebenen gezahlt hat. Für das Flugzeug hat die Ukraine keine Entschädigung bezahlt.
Im Vergleich dazu verhält sich der Iran vorbildlich transparent. Er hat seine Schuld schon zwei Tage nach dem Unglück ohne wenn und aber eingestanden, sich entschuldigt und Entschädigungen versprochen. Die Verzögerung hat die iranische Regierung damit erklärt, selbst erst nach zwei Tagen vom Militär korrekt informiert worden zu sein. Das ist nichts ungewöhliches, niemand gibt gern Fehler zu und das Militärs ihre „Fehltritte“ der eigenen Regierung zu verschweigen versuchen, ist kein iranisches Phänomen, das sehen wir auch bei westlichen Streitkräften immer wieder.
Dass westliche Quellen dem Iran „Vertuschung“ vorwerfen ist dabei fast schon eine Unverschämtheit, denn der Iran hat nicht nur alles zugegeben, sondern ist inzwischen auch bereit, alle westlichen Experten – sogar amerikanische – an der Aufklärung mitarbeiten zu lassen. Nach seinem Schuldeingeständnis hat der Iran nichts mehr zu verbergen, es bereits alles bekannt.
Mehr noch: Der Iran hat die Schuldigen inzwischen festnehmen lassen, sie werden vor Gericht gestellt. Zur Erinnerung: Die USA haben den Abschuss 1988 durch ihre Streitkräfte gerechtfertigt und der Kommandant des Schiffes bekam einen Orden.
Und noch mehr (darüber habe ich in Deutschland nichts gelesen): Der iranische Präsident hat sich am 15. Januar erneut öffentlich entschuldigt und gesagt:
„Ich möchte für die Verzögerung (der Mitteilung über den Abschuss durch iranische Streitkräfte) und für unseren Ton (in den zwei Tagen, als die iranische Regierung selbst noch nicht wusste, dass es ihr Militär war) um Verzeihung bitten.“
Solche Worte hat man von Präsidenten bei vergangenen Fällen dieser Art nie gehört. Der Abschuss ist eine Tragödie und die Menschen können nicht wieder lebendig gemacht werden. Aber der Iran, das muss man anerkennen, geht damit wirklich vorbildlich um.
Noch ein Wort zu weiteren Spekulationen über technische Probleme des Flugzeugs, eventuelle Abweichungen vom vorgesehen Kurs und ähnliche Gerüchte, die durch die Medien geistern: Schon am 11. Januar hat die ukrainische Regierung mitgeteilt, sie habe die Funksprüche erhalten und demnach gab es keine technischen Probleme und keine Kursabweichung. Das Flugzeug habe sich demnach bis zuletzt in Funkkontakt mit dem Tower befunden und sei exakt den Anweisungen gefolgt, die die Fluglotsen gegeben haben.
Natürlich müssen wir auf den Untersuchungsbericht warten, aber niemand hat dieser Aussage aus der Ukraine widersprochen. Sie dürfte daher der Wahrheit entsprechen.
Warum die iranische Luftabwehr das Flugzeug trotzdem irrtümlich für eine angreifende Rakete gehalten hat, wird der Iran untersuchen und wenn ich mir das Verhalten des Iran nach dem Abschuss anschaue, gehe ich davon aus, dass diese Untersuchung nicht manipuliert wird. Wozu auch? Es gibt nichts mehr zu vertuschen, aber es gab einen Fehler, den man nicht wiederholen will, also wird man sehr genau untersuchen, was getan werden kann, um so eine Tragödie in Zukunft zu vermeiden.
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